Geheimauftrag für einen betrunkenen Kobold

So meisterhaft gemalt, dass ein schwarzes Tuch in einem schwarzen Regal liegen kann: Ölbilder von Min-Seon Kim in der Frankfurter Galerie Schwind
VON FLORIAN MALZACHER

Feines, weißes, fast durchsichtiges Porzellan mit blauen echsenartigen Drachen, wie man es aus dem Chinaladen kennt. Eine Tasse mit türkisfarbenen Fischen und Algen. Ein rotes Tuch zu einem ballartigen Sack gebunden, darauf goldgelbe Blumenmuster.

Min-Seon Kims Ölbilder, die derzeit in der Frankfurter Galerie Schwind zu sehen sind, arbeiten auf den ersten Blick mit dem Argument der Kunstfertigkeit, des meisterhaften Handwerks: Ihre Stoffe werfen Falten, dass ein Kunstgeschichtler ins Schwärmen geraten kann, das Porzellan, die Tücher, die Lacke lassen ihre spezifische Materialität spüren, und nahezu illusionistisch werden die Motive auf der Leinwand zu gefühlt dreidimensionalen Objekten. Noch vertrackter wird die Sache, weil diese Motive alle selbst schon dekorativen Charakter haben: schöne Stoffballen, schöne Keramik, schöne Muster, schöne Farbspiele.

Doch spätestens hier beginnt das Spiel: Gleich doppelt dekorativ sind die Bilder - und das wird scheinbar nicht in Frage gestellt. Auftrumpfen, Angeben, l'art pour l'art? Die Stoffbälle und -rollen sind wie ausgestanzt, ohne Schatten vor immer weißem Hintergrund. Sie werden zu kontextlosen Objekten. Ihre Beziehungslosigkeit nimmt ihnen das kuschelig Dekorative und verweist etwa auf ihren Warencharakter. Wie in einem Katalog, nichts soll ablenken, das Objekt wird zum Fetisch: Kulturelles Zeichen, das eine natürliche Substanz ersetzt.

Aber was für kulturelle Zeichen sind das? Min-Seon Kim ist 1966 in Korea geboren und aufgewachsen, in Seoul und später in Deutschland besuchte sie die Kunsthochschule. Die Zeichen auf ihren Stoffen und Gefäßen verweisen auf die asiatische Herkunft - scheint es. Aber tun sie es wirklich? Bedienen sie sich nicht vielmehr nur vermeintlich einer bestimmten Tradition und Bildsprache? Tatsächlich haben die Drachen, Blumen, Fische Min-Seon Kims keine konkrete Bedeutung, sind kein entschlüsselbares Symbol, sondern erfunden. Und auch die Titel ihrer Arbeiten verweisen auf etwas, was so nicht zu finden ist: Rangordnung heißt das Drachenporzellan, Betrunkener Kobold eine großformatige Arbeit mit einem sich gegenläufig verdrehenden Wirbel aus Stoff, obsession eine schwarze Stoffkugel mit Schmetterlingen.

Für Min-Seon Kim gibt es erst vor dem ersten Pinselstrich ein Gefühl für eine Arbeit, ein Möglichkeitsfeld für einen Titel: So ging etwa einer Arbeit die Idee voran, sich mit einem Geheimnis, etwas Verborgenem auseinanderzusetzen, assoziativ wählte sie schwarze Farben, eine eng gerollte, samtige Stoffrolle mit goldenem Ornament, wie ein Versprechen. Nach der Fertigstellung konkretisierte sich dann der Titel: Geheimauftrag . Ein Verweisspiel, das nicht wirklich verweist, sondern Assoziationsräume eröffnet.

Dabei haben ihre Arbeiten eigentlich nichts verspieltes, auch wenn sie trotz ihrer Strenge Leichtigkeit ausstrahlen. Und immer wieder verblüfft die Kunstfertigkeit, die man heute fast als ironischen Kommentar lesen möchte: Besonders sichtbar und diffizil, wenn Materialien zusammentreffen, schwarz lackiertes Holz einer Box beispielsweise mit rotem Stoff, oder stärker noch, wenn schwarzes Tuch (in der Arbeit Rabenfreunde ) in einem schwarzen Holzregal liegt: Die Farbe des Regals dick aufgetragen, Firnis erzeugt einen lackierten, spiegelnden Glanz auf den zusätzlich eine Spiegelung gemalt ist - die des Tuches, das die Struktur der Leinwand beibehält und so nicht nur malerisch, sondern auch faktisch eine andere Materialität erhält.

Galerie Schwind , Gärtnerweg 26, Frankfurt: bis 31.1., Di.-Fr. 13-18.30, Sa. 11-14 Uhr. Winterpause bis 10.1.
www-galerie-schwind.de

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Dokument erstellt am 06.01.2004 um 16:44:11 Uhr
Erscheinungsdatum 07.01.2004

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