STOFFE WIE GOLD UND SEIDE
Manfred Schneckenburger
Als Min-Seon Kim 1994 in Münster zu studieren beginnt, hat sie bereits ein Kunststudium in Seoul und fünf aktive Jahre als Künstlerin hinter sich. Bei Kuhna beginnt sie noch einmal von vorn. Sie lernt die illusionistischen Fertigkeiten der europäischen Tradition, aber sie bringt auch Erinnerungen an kostbare fernöstliche Stoffe und schattenlose weiße Tiefen des Grundes mit. Ihre Bilder changieren zwischen einer präzisionistischen Feinmalerei, deren Wurzeln noch vor die Renaissance zurückreichen, und koreanischen floralen Mustern, eingehüllt in den Atem fernöstlicher Kontemplation. Diese Bilder vereinen das trompe l'oeil westlicher Stillleben mit dem Glanz östlicher Ornamentik und dem weißen Umfeld von Tuschmalereien in einem traumwandlerisch sicheren Zusammenklang. Letztlich entzieht Min sich jedoch der Frage nach der einen oder anderen Herkunft. Sie widersetzt sich den Verlockungen des doppelten Blicks und hat längst ihre eigene Mitte gefunden, richtiger: geschaffen.
Seit 2001 malt Min Seidenstoffe mit goldenen Applikationen. Blumen, Blüten, Schmetterlinge... Auch die Umrissform spricht mit: zwei stabartige Rollen zipfeln jeweils in spitzen Haifischflossen aus, die Titel ßGefährlich schönß oder ßNach dem letzten Hiebß erinnern unverblümt an Waffen.
Nichts ist kopiert. Min benutzt keine Vorlagen, sondern empfindet alles mit großer Genauigkeit nach. Stoffballen, -rollen und -bündel stehen als Solitär vor purem Weiß. Nicht einmal Schatten deuten eine Umgebung an. So wirken die Ballen, ungeachtet ihrer starkfarbigen dreidimensionalen Präsenz, wie ortslos schwebende Erscheinungen auf der Suche nach ihrem Ort. Die jüngsten Bilder lassen den Fond vollends weg. Format und Bildfeld sind eins.